Hallo und viele Grüße aus Bremen,
hier eine kurze Vorstellung meines 1986er CL-Diesel mit besonderer Historie.
Die Geschichte beginnt Ende 2013 in einer Ausstellung in einem Chemnitzer Ausstellung, die das Thema West-Autos in der DDR zum Inhalt hatte und die ich mir als Sammler von DDR-Fahrzeugen (Wartburg 311 und 353 seit inzwischen fast 20 Jahren...) natürlich nicht entgehen ließ. Hier wurden West-Fahrzeuge ausgestellt, die entweder über den staatlichen Fahrzeughandel der DDR in den Verkauf kamen oder über den Genex-Geschenkdienst (ein DDR-Staatsunternehmen mit Partnern in Kopenhagen und der Schweiz, das gegen West-Devisen Konsumgüter, Waren und Fahrzeuge in die DDR lieferte und so den notorisch devisenklammen Staat mit DM versorgte) direkt bestellt und "aus dem Westen" bezahlt wurden. In der Schau waren u.a. ein Golf I aus dem ersten frei verkauften Kontingent Ende der 1970er Jahre und ein über Genex gelieferter 35i-Passat zu sehen. Da mich die Genex-Geschichte auch vorher schon interessierte, begann ich zu recherchieren und fand heraus, das in den 1980er Jahren rund 14000 Golf 1 und 2 und rund 240 32b-Passat/Santana über Genex in die DDR gegangen waren. Kurzum, ein solches Auto wollte ich suchen. Knapp 2 Monate später war ich Besitzer eines der 240 Passat, den ich von seinem 87jährigen Erstbesitzer mit allen Dokumenten, abfotografierten Bilder aus dem Familienalbum und knapp 100.000 km auf dem Zähler erwerben konnte.
Eigentlich könnte die Geschichte hier zu Ende sein, doch die Suche nach weiteren Genex-Autos war zu spannend geworden und der abendliche Blick auf mobile und Ebay-Kleinanzeigen eine Gewohnheit. Und irgendwo musste es doch auch noch einen der 14.000 Golf 2 geben, die grundsätzlich als 5-türiger CL in weiß, beige, rot oder blau geliefert worden waren.
Klar, dass schon viele Zweitbesitzer die Historie dieser Autos, die nach 1990 "ganz normale" Golf geworden waren, nicht kannten und kennen konnten. Daher blieb die Suche nach Erstbesitz-Fahrzeugen.
Und die Nebelscheinwerfer
in einer mobile-Anzeige für einen beigen 4-türigen Diesel von 1986 sahen dann doch zu sehr nach DDR aus, als dass das ein Zufall sein konnte....Der Kontakt mit dem Enkel des Erstbesitzers, der nun das Auto seines verstorbenen Großvaters (geboren 1930) verkaufte, bestätigte meine Vermutung. Ebenso die Papiere, die sich im Nachlass fanden, so die originale DDR-Steuerkarte mit bis 1991 geklebten Wertmarken, der Vertrag über eine Kaskoversicherung, der bei Genex mitgekauft worden war und nicht zuletzt das Scheckheft, dass eine Auslieferung am 15. Mai 1986 im IFA-Vertrieb Berlin, Rummelsburger Landstraße auswies (heute ein Opel-Händlergelände...).
Also Treffer...nach einigen Telefonaten und Mails konnte ich den Wagen in der vergangenen Woche dann in Dresden abholen.
Gesamtlaufleistung 154.000 km, einige kleine Treffer und Korrosionsstellen, die typischen Rentnerblessuren an den Stoßfängern..alles in allem aber ein wunderbar gesundes Auto aus erster Rentnerhand.
Und ein Auto mit Charakter, denn der Erstbesitzer hatte bei Genex (wo die Westverwandschaft für ihn und seinen Sohn jeweils einen identischen nevandabeigen Golf geordert hatte...) alles das an Zubehör mitgekauft, was zu bekommen war. So den Hella-Doppelscheinwerfergrill und den Heckflügel aus dem Hause Kamei. Sicher eine sinnvolle Investition bei der Menge der Diesel-PS....
Zusätzlich hatten noch DDR-Nebenscheinwerfer aus dem Kombinat Fahrzeugelektrik Ruhla (FER) den Weg unter die Stoßfänger gefunden...eben jene, die mich die Herkunft des Fahrzeuges erkennen ließen.
Diese zeitgenössischen Modifikationen, die auf den Ersthalter zurückgehen, werde ich beibehalten, auch wenn sie keinen wirklichen ästhetischen Gewinn darstellen. Aber Zeitgeschichte ist nicht immer schön. Winterliche Straßen soll dieser Golf nicht mehr sehen, vielmehr wird er im Sommer abwechselnd mit dem 32b-Passat auf verschiedenen Treffen und Veranstaltungen zur ostdeutschen Fahrzeuggeschichte ein fast vergessenes Kapitel beleuchten..
Noch ein wenig Korrosionsbekämpfung (Türinnenseite und Tankstutzen) und eine technische Revision sollen den Zustand konservieren, der mit allen Makeln, beilackierten Stellen und dem links montierten Außenspiegel vom Trabant 1.1 die Geschichte eines Autolebens erzählt..