Die deutschen Autobauer haben beim Rußfilter für Diesel-Pkw der Konkurrenz aus dem Ausland nach Einschätzung von Branchenexperten ohne Not ein wichtiges Zukunftsfeld überlassen und drohen in der aktuellen Abgasdiskussion nun als Blockierer da zu stehen.
Um Wettbewerbsnachteile gegenüber französischen Herstellern wie Peugeot und Citroen zu vermeiden, müßten die Konzerne schadstoffmindernde Abgastechniken serienmäßig auch in kleineren Dieselfahrzeugen anbieten, forderten führende Automobilexperten am Dienstag. Nach dem Autogipfel mit den großen europäischen Herstellern setzte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in einem Brief an EU-Kommissionpräsident Romano Prodi für die Erarbeitung von strengeren Abgasnormen noch im diesem Herbst ein. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) machte erneut deutlich, dass er den Rußfilter für die effektivste Technologie hält, um gesundheitsschädlichen Feinstäube in Dieselabgasen zu verringern. Die feinen Rußpartikel aus Dieselmotoren gelten als Ursache von Atemwegserkrankungen und Krebs. Volkswagen als Europas größter Hersteller wies den Vorwurf zurück, vorhandene Abgastechniken nicht einzusetzen.
Die deutschen Hersteller mit VW an der Spitze hätten zu sehr auf die in der EU geltenden Abgasnormen und Grenzwerte geachtet und nicht weiter gedacht, sagte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Nürtingen. "Sie haben sich zurückgelehnt und gesagt, gut das erreichen wir auch mit innermotorischen Maßnahmen. Womit sie nicht gerechnet haben ist, dass Peugeot in der Lage ist, die Euro-Norm heute schon zu unterbieten", fügte Diez hinzu. "Das war leichtfertig." Er gehe davon aus, dass VW diese "Scharte" alsbald wettmachen werde und mit den französischen Autobauern gleichziehe.
Schröder habe in einem Brief an EU-Kommissionpräsident Prodi geschrieben, er wäre "dankbar", wenn die Behörde "noch im Herbst diesen Jahres" eine neue Abgasnorm zu erarbeite, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" vorab aus ihrer Mittwochausgabe. Ein Regierungssprecher bestätigte den Brief.
Damit setzte Schröder das Ergebnis des Autogipfels vom Vortag im Kanzleramt um. Dort hatte sich der Kanzler mit den großen europäischen Autoherstellern auf eine schnelle Entwicklung von strengeren Abgasnormen für Dieselfahrzeuge verständigt. Auf eine Technologie hatte man sich dabei aber nicht festgelegt. Schröder will erreichen, dass die EU-Kommission bis Ende dieses Jahres gemeinsam mit den Herstellern eine neue Richtlinie erarbeitet.
Der Leiter des Gelsenkirchener Center Automotive Research, Ferdinand Dudenhöffer, vertrat die Auffassung, die deutschen Autohersteller hätten beim Rußfilter eine Chance vertan. "Der Partikelfilter ist nicht aufzuhalten und wird nach unserer Einschätzung ohnehin bei Fahrzeugen mit über 1,8 Liter Hubraum in Serie gehen." Die Branche habe versäumt, die bei der Autoschau IAA im vergangenen September präsentierte Technologie auch in kleineren Modellen anzubieten. Wie bereits beim Abgaskatalysator, bei dem wichtige Impulse ebenfalls aus dem Ausland gekommen seien, drohten die deutschen Autobauer nun abgehängt zu werden. "Jedes Mal läßt man sich vorführen und steht als Blockierer da", kritisierte Dudenhöffer.
Dem hielt VW-Sprecher Thomas Mickeleit entgegen: "Wir haben keine Entwicklung verschlafen. Im Gegenteil, mit den innermotorischen Maßnahmen haben wir 90 Prozent des Schadstoffs reduziert." Die von VW favorisierte Reduktion bereits während der Verbrennung in den Motoren sei sinnvoller, als Schadstoffe hinterher aus den Abgasen herauszufiltern. Zugleich kündigte VW die Einführung des Rußfilters im Golf als zusätzliche Option an - weitere Modelle könnten folgen. Die Wolfsburger bieten den Rußfilter bereits im Passat gegen Aufpreis an.
Umweltminister Trittin bekräftigte seinen Standpunkt, dass die Schadstoff-Minderung bei Diesel-Pkw zunächst durch den Einsatz von Filtern erfolgen werde.
(reuters)