Hallo Forum,
Chip-Tuning gehört wohl zu den Dingen, die man am einfachsten machen kann, wenn man im Auto was verändern will.
"Chip" ist aber nicht gleich "Chip" und "Chip-Tuning" - gerade im Elektroauto - kann auch völlig andere Dimensionen haben.
Mein Golf Citystromer lief - in Analogie zum Vierzylinder - nur noch auf drei Töpfen - sozusagen.
Kein Drehmoment zum Anfahren, ruppiges Laufverhalten, Rasseln wie 'n Sack Nüsse.
Kurzform - da war was nicht in Ordnung.
Am Elektroauto ist so ein Verhalten höchst untypisch und es gibt zwei potentielle Fehlerquellen:
1) Die Regelung des Motors hat einen an der Waffel was häufig eine Ursache in einem Fehler der Strommessung hat
2) An der Leistungselektronik ist ein Halbleiter defekt oder die Ansteuerbaugruppe hat Schaden genommen.
Nachdem der Antriebsumrichter aus dem Auto raus ist und im Labor auf dem Messplatz liegt stellt sich raus, dass einer der Leistungshalbleiter
tatsächlich defekt ist.
Der eingesetzte IGBT hat Eckdaten 600V / 400A und kommt von Fuji. Bauform ist ein sogenanntes 62mm-Modul. Ein Brocken mit 62mm Breite,
108mm Länge, 36m Höhe und Schrauben M6 für den Stromanschluss.
Der Ausbau gestaltet sich allerdings etwas schwierig weil der Umrichter innen extrem wenig Platz aufweist und nicht entwickelt wurde,
um demontiert zu werden
50 zum Teil ätzend verwinkelt eingebaute Schrauben später sind die Kupferschienen entfernt, die die großen Ströme tragen. Jetzt kann man das defekte Modul rausnehmen.
Auffällig ist, dass das Wärmeleitmaterial staubtrocken ist und in dieser Form sicher nicht mehr wirklich gut funktioniert.
Das offenbar silikonhaltige Zeug vom Kühlkörper kratzen und restefrei entfernen ist auch nicht soooo witzig.
10 Reinigungstücher und etliches an Reinigungsspiritus gehen alleine dafür drauf
Jetzt zum "Tuning"-Teil:
Das im Umrichter eingesetzte Bauteil stammt aus den frühen 90er Jahren und seither hat sich bei dieser Art Silizium
ganz schön was getan.
Die Schalter sind schneller geworden, was die Schaltverluste reduziert und haben kleinere Spannungen bei Stromfluss,
was die Durchlassverluste minimiert.
Statt des alten 400A-Bauelementes kommt ein neuer Vertreter rein, der für 600A ausgelegt ist und bis 1200V verträgt:
Bei so einem Umbau ist es sinnvoll, nicht ein einzelnes Bauelement zu wechseln.
Wenn eins kaputt ist haben die anderen wahrscheinlich auch schon nicht mehr den besten Zustand
und nach 20 Jahren in Gebrauch kommen alle sechs raus und neue rein.
Nachdem der gesamte Kupferkram und die Isolierlagen wieder montiert sind sieht es auch wieder ansehnlich aus.
Wenn im Motor nun der gleiche Strom fließt wie zuvor, verringern sich die Verluste im Umrichter, das neue Bauelement wird
weniger warm und rechnerisch kommt man mit der Batterie ein bisschen weiter als vorher.
Bei 250A die im Auto schonmal fließen können liegt die Spannung am neuen IGBT bei ca. 1,2V was in Vorwärtsrichtung 300W
Verlustleistung ergibt. Die erscheint immer an mehreren Schaltern, gibt also grob über den Daumen 600W.
Das alte Bauelement hatte eine Vorwärtsspannung nahe an 2V, bei gleichem Strom also eine Gesamtverlustleistung von etwa 1000W.
An dem neuen Baustein beträgt ausserdem die Schaltgeschwindigkeit etwa das Vierfache gegenüber dem alten was die Schaltverluste ebenfalls
auf etwa 25% reduzieren sollte.
Mit rechnerisch ermittelten Schaltverlusten von ca. 300W statt vorher 1200W ergibt sich eine Einsparung in der Größenordnung von 1.5kW bei Vollgas.
Das ist nett, denn damit steigt die Reichweite des Fahrzeuges vermutlich um spürbare 8-10 Kilometer.
Mehr Leistung gibt es in dem Auto nur in homöopathischer Menge.
Die geringe Differenz an Spannung steht natürlich jetzt dem Motor zur Verfügung. Der Schritt von 96V auf 97V ist aber nicht der Bringer.
Ist also eher so 'ne Art Öko-Tuning
Gruß - FourOfFour